40º Aniversário da Constituição da República Portuguesa
38 Der Platz der Verfassung im 21. Jahrhundert 40.º Aniversário da Constituição da República Portuguesa Colóquio Comemorativo ihrem Zugriff. Betroffen ist aber auch der Vorrang der Verfassung. Er gilt nur gegenüber staatlichen Akten und selbst für diese nur so weit, wie sie nicht durch überstaatliches Recht determiniert sind. Schließlich trifft es auch nicht mehr zu, dass jeder Akt öffentlicher Gewalt auf die verfassunggebende Gewalt des Volkes zurückführbar sein muss. Sie ist nicht mehr Vollordnung, sondern nur noch Teilordnung. Alles hängt also davon ab, wieviel Staat die geschilderte Entwicklung noch übrig lässt. Der Umfang variiert je nach den internationalen Organisationen, denen ein Staat angehört. In jedem Fall bilden aber die Staaten nach wie vor die Grundeinheiten der politischen Welt. Der umfassende Besitz der öffentlichen Gewalt ist nur um diejenigen Hoheitsrechte gemindert, welche sie an supranationale Einrichtungen abgetreten haben, während diese Einrichtungen selber auf einzelne Aufgaben begrenzt sind. Nur für die Erfüllung dieser Aufgaben sind die Staatsgrenzen durchlässig. In der horizontalen Dimension, der Beziehung der Staaten untereinander, behalten sie ihre Bedeutung. Auch hat kein Staat bisher das Gewaltmonopol aus der Hand gegeben. Wenn supranationale Organisationen Zwangsgewalt ausüben wollen, müssen sie sich die Mittel von den Staaten borgen. Und schließlich bilden bislang nur die Staaten einen Raum wirksamer demokratischer Selbstbestimmung. Die Internationalisierung ändert aber nichts daran, dass öffentliche Gewalt regulierungsbedürftig ist, gleich von wem sie ausgeübt wird. Das wirft zum Schluss die Frage auf, ob sich der Bedeutungsverlust der nationalen Verfassung auf der internationalen Ebene kompensieren lässt. Um diese Frage geht es in der Konstitutionalisierungs-Debatte, die mit wachsender Intensität geführt wird. Für viele Beobachter ist der Konstitutionalisierungsprozess längst in Gang, und zwar keineswegs nur in Europa. Auch die UN, die WTO, der IMF werden danach konstitutionalisiert, sogar das Völkerrecht insgesamt. Daran ist richtig, dass alle internationalen Organisationen, die öffentliche Gewalt ausüben, durch Rechtsakte ins Leben getreten und geregelt sind. An einer Verrechtlichung fehlt es daher nicht, auch wenn man sie sich manchmal, vor allem hinsichtlich der Grundrechtsbindung, verbessert vorstellen könnte. Wie der historische Rückblick gezeigt hat, ist Verrechtlichung allerdings nicht identisch mit Konstitutionalisierung. Da die internationale öffentliche Gewalt im Unterschied zur staatlichen nicht konzentriert, sondern fragmentiert ist und oft sogar in gegenläufigem Sinn ausgeübt wird, fehlt es bereits an einem konstitutionsfähigen Gegenstand, wie er auf der nationalen Ebene in Gestalt des modernen Staats entstand. Die internationale Welt ähnelt in ihrer Fragmentierung dagegen eher der mittelalterlichen Ordnung mit ihren zahlreichen auf unabhängige Träger verstreuten Hoheitsrechten, die einer umfassenden und kohärenten Regelung nicht zugänglich waren. An eine Weltverfassung, welche die internationale öffentliche Gewalt umfassend und zusammenhängend regelte, ist daher gar nicht zu denken. Vor allem ist aber nicht sichtbar, wie das legitimationsspendende Element der Volkssouveränität und der demokratischen Verantwortlichkeit, das die Verfassung auszeichnet, auf der internationalen Ebene verwirklicht werden könnte. Die Rede von der Konstitutionalisierung kann daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass es an wesentlichen Elementen des Konstitutionalismus fehlt. Wo immer auf der überstaatlichen Ebene von Konstitutionen gesprochen wird, handelt es sich um einen schwachen Abglanz der Verfassung, der hinter der Errungenschaft weit zurückbleibt. Insofern hat die Entwicklung eine Legitimations- und Regulationslücke aufgerissen, für deren Schließung mit der Wirkung von Verfassungen es derzeit noch an Vorstellungen fehlt.
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