40º Aniversário da Constituição da República Portuguesa

36 Der Platz der Verfassung im 21. Jahrhundert 40.º Aniversário da Constituição da República Portuguesa Colóquio Comemorativo oder Oberste Gerichte mit verfassungsgerichtlicher Kompetenz Vertragsschlüsse auf ihre Vereinbarkeit mit der nationalen Verfassung prüfen können. In Portugal erlaubt das Artikel 278 der Verfassung. Nicht nur in Deutschland hing das Zustandekommen europäischen Primärrechts wie des Maastricht- oder des Lissabon-Vertrages auf diese Weise mehrfach von verfassungsrechtlichen Prüfungen anhand der nationalen Verfassung ab. Der Einfluss der nationalen Verfassungen endet aber nicht mit der Vereinbarung und Ratifikation des Primärrechts der EU. Er setzt sich in abgeschwächter Form bei der Schaffung des sekundären Gemeinschaftsrechts fort. Der Grund liegt darin, dass das Primärrecht den Mitgliedstaaten bei der Gemeinschaftsgesetzgebung die zentrale Rolle zuweist. Die Eigenart der EU als Staatenverbund kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass Hauptgesetzgebungsorgan nicht das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament, sondern der aus den Regierungen der Mitgliedstaaten gebildete Rat ist. Zwar ist der Rat nicht mehr der alleinige Gesetzgeber. Die Mitwirkungsrechte des Parlaments sind kontinuierlich ausgeweitet worden. Das Parlament kann jedoch nur auf Beschlüsse des Rates reagieren, aber nicht selbst die Führung übernehmen. Die Schaffung von Sekundärrecht unterscheidet sich allerdings beträchtlich von der Schaffung des Primärrechts. Letzteres entsteht im Wege des Vertragsschlusses, der völkerrechtlichen Regeln folgt, während Sekundärrecht durch Beschluss nach den Regeln des Primärrechts entsteht. Der Rat, der den Beschluss fasst, ist keine Staatenkonferenz, sondern ein Gemeinschaftsorgan. Er nimmt Kompetenzen wahr, die der Gemeinschaft übertragen worden sind, und ist dabei nicht an die nationalen Verfassungen gebunden. ImUnterschied zu allen anderen Gemeinschaftsorganen setzt sich der Rat aber aus Mitgliedern eines nationalen Staatsorgans, nämlich den Regierungen der Mitgliedstaaten, zusammen. Diese Konstruktion ermöglicht es den Ratsmitgliedern, bei der Gesetzgebung nationale Interessen und damit auch Forderungen der nationalen Verfassung zur Geltung zu bringen. Soweit sie dazu von ihrer nationalen Verfassung verpflichtet sind, verschafft sich diese mittelbaren Einfluss auf die europäische Gesetzgebung. Eine Gewähr für die Beachtung der nationalen Verfassung besteht allerdings nur dort, wo die Verträge für die Gemeinschaftsgesetzgebung Einstimmigkeit im Rat vorschreiben. In diesem Bereich muss man daher von einer gesteigerten Bindung der Regierungen an ihre nationalen Verfassungen ausgehen. In dem Erfordernis der Einstimmigkeit liegt die Anerkennung, dass die Interessen jedes einzelnen Mitgliedstaats solches Gewicht besitzen, dass er sie gegen alle anderen durchsetzen kann, freilich nur negativ: mit der nationalen Verfassung unvereinbares Gemeinschaftsrecht kann verhindert, nicht kann mit der nationalen Verfassung kompatibles Gemeinschaftsrecht erzwungen werden. Die Flexibilität und Kompromissfähigkeit, die für die Einflussnahme auf Mehrheitsentscheidungen nötig ist, rechtfertigt hier also keine Lockerung der Verfassungsbindung. Für die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen auf die EU sind die nationalen Verfassungen bestimmend. Auf den Gebrauch der Gesetzgebungskompetenzen durch den Rat können sie mittelbar Einfluss nehmen. Einmal zustande gekommen, gilt das Gemeinschaftsrecht aber unabhängig von den nationalen Verfassungen. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, wie sich Gemeinschaftsrecht und nationales Recht zueinander verhalten, wenn beide in Konflikt geraten. Die Frage wurde vom Europäischen Gerichtshof in den grundlegenden Urteilen Van Gend & Loos und Costa v. ENEL von 1963 und 1964 zugunsten des Gemeinschaftsrechts entschieden, und zwar, wie er später aus Anlass des

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