40º Aniversário da Constituição da República Portuguesa
32 Der Platz der Verfassung im 21. Jahrhundert 40.º Aniversário da Constituição da República Portuguesa Colóquio Comemorativo hervorbrachte, konnte sie nicht von den Herrschenden ausgehen. Sie musste vielmehr eine vorgängige Quelle haben. Dafür kam nur das Volk in Frage. Das Legitimationsprinzip der modernen Verfassung ist die Volkssouveränität. Die Konsequenz war die Unterscheidung zwischen pouvoir constituant und pouvoir constitué. Das Recht zerfiel dadurch in zwei Teile, einen der vom Volk ausging und die Herrschenden band – Verfassungsrecht, und einen, der von den Herrschenden ausging und die Bürger band – Gesetzesrecht. Der erste regelte die Hervorbringung und Durchführung des zweiten und musste diesem daher im Rang vorgehen. Beides, die Unterscheidung von Verfassung und Gesetz und der Vorrang, ist für die moderne Verfassung konstitutiv. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab. Die Verfassung erweist sich also als eine besonders ambitionierte Form der Verrechtlichung von politischer Herrschaft. Konstitutionalisierung ist deswegen nicht dasselbe wie Verrechtlichung. Die Differenz zwischen beiden macht die Verfassung zur evolutionären Errungenschaft. Sie schließt jede Form absoluter oder willkürlicher Herrschaft von Menschen über Menschen aus. Indem sie sämtliche Herrschaftsakte rechtlichen Regeln unterwirft, macht sie die Ausübung der öffentlichen Gewalt für die Bürger kalkulierbar. Den Trägern unterschiedlicher Überzeugungen und Interessen stellt sie eine Konsensbasis zur Verfügung, auf der sie ihre Gegensätze in zivilisierter Form austragen können. Sie ermöglicht friedliche Machtwechsel, weil die Unterlegenen keine Unterdrückung befürchten müssen und als Alternative zur jeweiligen Mehrheit erhalten bleiben. Was die Verfassung geregelt hat, ist der Mehrheitsentscheidung entzogen. Schließlich entlastet die Verfassung die Politik von ständiger Prämissendiskussion, weil diese in der Verfassung vorweggenommen ist. Der Anspruch des Konstitutionalismus war schon mit den ersten Verfassungen definiert. Das garantierte freilich nicht, dass auch jede nachfolgende Verfassung ihn einlöste. Nachdem die moderne Verfassung einmal erfunden war, konnte man die Form kopieren, ohne den Inhalt zu übernehmen. Es gibt Verfassungen, hinter denen von vornherein kein ernstlicher Bindungswille der Politik steht. Es gibt auch Verfassungen, die in einem Konflikt mit der Politik regelmäßig den Kürzeren ziehen. Desgleichen gibt es Verfassungen, die die Herrschaftsbefugnis aussparen und lediglich eine der Verfassung vorausliegende Herrschaftsgewalt in dieser oder jener Hinsicht begrenzen. Aus der Existenz solcher Schrumpfformen darf aber nicht geschlossen werden, dass die Verfassung im Vollsinn lediglich ein Idealtypus ist, dem man sich nur mehr oder weniger annähern kann. Herrschaftsregulierung in Form der Verfassung ließ sich erst denken, nachdem ein Gegenstand existierte, der einem zusammenhängenden und umfassenden rechtlichen Zugriff durch ein auf Politik spezialisiertes Gesetz zugänglich war. Daran fehlte es noch im Mittelalter. Das Mittelalter kannte nicht die öffentliche Gewalt, sondern nur einzelne Herrschaftsrechte, die auf Personen, nicht auf Territorien bezogen und auf viele voneinander unabhängigeTräger verteilt waren und nicht als selbständige Funktion, sondern als Annex eines bestimmten Status ausgeübt wurden. Das mittelalterliche Gemeinwesen hatte nicht nur keine Verfassung im modernen Sinn, es hätte auch keine haben können. Es war erst die Konzentration der zerstreutenHerrschaftsrechte in einerHand und ihreVerdichtung zur einheitlichen, auf ein abgegrenztesTerritoriumbezogenen öffentlichen Gewalt, wie sie sich seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert zu bilden begann und schnell als „Staat“ begriffen wurde, die den regelnden Zugriff einer Verfassung gestattete. Die staatliche Herrschaft war also im Unterschied zur vormodernen Herrschaft gegenständlich umfassend, aber territorial begrenzt. Jeder Staat stützte sich im Inneren auf das Monopol der legitimen öffentlichen Gewalt, traf aber jenseits der Grenzen auf andere
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