40º Aniversário da Constituição da República Portuguesa
31 Dieter Grimm Dem destruktiven Werk der Revolutionen folgte deswegen das konstruktive der Setzung neuen Rechts.Nicht in der Entwicklung der naturrechtlichen Prinzipien legitimer Herrschaft, sondern in der Überführung von Philosophie in positives Recht lag der Beitrag der Revolutionäre zu der neuen Herrschaftsordnung. Für dieses auf die politische Herrschaft bezogene neue Recht kam sogleich der Begriff „Verfassung“ auf, der mit dem neuen Gegenstand, den er bezeichnete, auch seinen Sinn änderte. War „Verfassung“ bis dahin ein deskriptiver Begriff gewesen, der den politischen Zustand eines Landes beschrieb, wie er durch verschiedene Faktoren einschließlich seiner Rechtsordnung geprägt war, so stieß er nun die beschreibenden Elemente ab und wurde präskriptiv. Die moderne Verfassung ist normative Verfassung. Sie beschreibt nicht die Wirklichkeit, sondern richtet Anforderungen an sie. Der empirische Verfassungsbegriff verschwand dadurch nicht, sondern kehrte in Gestalt der von der normativen Verfassung unterscheidbaren Verfassungswirklichkeit wieder und wies auf die Existenz außerrechtlicher Bedingtheiten der rechtlichen Verfassung hin. Das Ergebnis der Revolutionen war also eine Verrechtlichung der öffentlichen Gewalt. In den nordamerikanischen Kolonien, die unter dem englischen Recht lebten, in dem die Exekutive bereits verrechtlicht war, bestand sie in der Ausdehnung der Verrechtlichung auf die öffentliche Gewalt insgesamt einschließlich des Parlaments; in Frankreich, das absolutistisch regiert wurde, ging es darum, den Rechtsstaat überhaupt erst zu begründen. Verrechtlichung der öffentlichen Gewalt wird häufig als die Leistung der Verfassung hingestellt. Damit ist die moderne Verfassung aber nicht hinreichend charakterisiert, denn Recht, das die öffentliche Gewalt band, hatte es auch vor der Verfassung gegeben. Selbst der absolute Staat war nicht so absolut, wie er zu sein beanspruchte. Aus dem Mittelalter überkommene rechtliche Bindungen überlebten, neue wurden ihm im Ringen mit den Ständen abgetrotzt. Was fügte die Verfassung dem hinzu? Die älteren rechtlichen Bindungen von Herrschaft betrafen allesamt nicht die Herrschaftsbefugnis selbst. Sie setzten das Recht der Herrscher zu herrschen voraus. Der Herrscher bezog seine Legitimation nicht aus dem positiven Recht, sondern aus überpositiven Quellen. Die älteren rechtlichen Bindungen betrafen nur die Ausübung der aus sich heraus legitimierten Herrschaft. Sie waren herrschaftsmodifizierend. Sie gingen typischerweise aus Verträgen zwischen dem Herrscher und den Ständen hervor und konnten so als freiwillige Selbstbindungen des Herrschers betrachtet werden. Als solche wirkten sie lediglich punktuell, betrafen nur vereinzelte Herrschaftsbefugnisse und galten als vertraglich begründete nicht für jedermann, sondern nur zwischen den Vertragspartnern. Alle drei Charakteristika der älteren rechtlichen Bindungen von Herrschaft streifte die moderne Verfassung ab. Sie modifizierte nicht eine aus sich selbst legitimierte Herrschaft, sondern brachte legitime Herrschaft erst hervor, wirkte also herrschaftskonstituierend. Sie regelte nicht nur die Ausübung, sondern auch die Einrichtung der Herrschaft. Sie tat das ferner in umfassender, nicht nur in punktueller Weise. Umfassend meint, dass es im Verfassungsstaat keine vor- oder außerrechtlichen Träger von Herrschaftsbefugnissen geben konnte und dass der Herrscher seine Befugnisse nur in den von der Verfassung festgelegten Bahnen und mit der von ihr zur Verfügung gestellten Mitteln ausüben durfte. Schließlich galten die rechtlichen Bindungen der Staaten nicht nur zugunsten einzelner privilegierter Stände, sondern für alle der Herrschaft Unterworfenen. Damit die Verfassung ihre Funktion erfüllen konnte, musste sie einige zusätzliche Eigenschaften aufweisen, welche die Leistung verbürgten. Da sie legitime Herrschaft erst
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk2NjU=