40º Aniversário da Constituição da República Portuguesa
29 Das 20. Jahrhundert endete mit einemTriumph des Konstitutionalismus. Zweihundert Jahre nach seiner Entstehung hat er sich nach vielen Kämpfen und Rückschlägen universell durchgesetzt. Fast alle Staaten der Welt haben heute eine Verfassung. Gestritten wird nicht mehr darüber, ob es eine Verfassung geben soll, sondern welche am geeignetsten ist. Auch die Bereitschaft der Regierenden, in Übereinstimmung mit den Vorschriften ihrer Verfassungen zu handeln, ist in jüngerer Zeit erheblich gestiegen, wie die große Zahl von Verfassungsgerichten oder Gerichten mit verfassungsrechtlicher Jurisdiktion zeigt, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gegründet wurden. Verfassungsgerichtsbarkeit gehört heute zum Standardprogramm des Verfassungsstaats. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Verfassung bereits überall und jederzeit ernst genommen wird oder sich im Konflikt mit politischen Absichten stets durchsetzt. Verfassungsverletzungen geschehen nach wie vor. Auch gibt es immer noch eine Anzahl von Ländern, in denen das Projekt des Konstitutionalismus nur unvollkommen oder nur zum Schein verwirklicht wird. Manche Verfassungsgerichte stehen unter politischem Druck, selbst in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die universelle Anerkennung des Konstitutionalismus als Modell für die Organisation und Legitimation politischer Herrschaft zeigt sich jedoch daran, dass selbst Herrscher, die nicht gewillt sind, sich rechtlichen Bindungen zu unterwerfen, wenigstens den Anschein erwecken möchten, ihre Macht innerhalb eines verfassungsrechtlichen Rahmens auszuüben. Indessen darf man sich von dem äußerlichen Erfolg der Verfassung nicht täuschen lassen. Er geht mit einer inneren Schwächung einher, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat und lange Zeit unbemerkt verlaufen ist. Die Ursache besteht in Veränderungen der Umwelt der Verfassung. Als die Verfassung entstand, waren die Staaten die alleinigen Inhaber öffentlicher Gewalt auf ihrem Territorium und blieben es über fast zweihundert Jahre hinweg. Heute teilen sie sich die öffentliche Gewalt mit einer Reihe nichtstaatlicher Akteure, meist supranationale Organisationen, denen sie Hoheitsrechte übertragen haben, welche die Organisationen nun unabhängig von den Staaten, aber mit verbindlicher Wirkung für diese ausüben, ohne dass sie sich demgegenüber auf ihre Souveränität berufen können. Diese Entwicklung kann an der Verfassung, die als Staatsverfassung ins Leben getreten war, nicht spurlos vorübergehen. Der Platz der Verfassung im 21. Jahrhundert Dieter Grimm
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